Über Gewalt
Von John Keane, Violence and Democracy, Cambridge University Press, 2004.
Die Aussage
des Buches: Gewalt ist der größte Feind der Demokratie, weil Gewalt Anathema zum
demokratischen Geist und Substanz ist.
Demokratie beinhaltet
eine Reihe von Institutionen und Lebensweisen, deren Ziel die gewaltfreie,
gleichmäßige Verteilung und öffentliche Kontrolle von Macht innerhalb einer
Nation ist, die gemäß von Prinzipien und Werten zusammen lebt.
Demokratie
erfordert:
a) Respekt für alle,
auch für die, die anders sind
b) Respekt für die Opposition
c) Kritik über die Machtinhaber
d) Unabhängige Zivilgesellschaft
Aber, Demokratien
können auch gegen ihre eigene Bevölkerung Gewalt ausüben, z.B.:
a) Durch Gesetz und Ordnung
b) Sicherheit für die öffentlichen
Interessen
c) Sicherheit für Bürger
d) Terrorismusbekämpfung
Reife Demokratien
erachten die Ausübung von Gewalt kritisch, und zwar auch die Institutionen,
welche legitim Gewalt ausüben. Gewalt ist nicht nur die Ausübung illegaler Gewalt.
Auch die legitime Gewalt (force) ist kritisch
gesehen.
Demokratien
bekennen sich zu Gewaltlosigkeit.
In Demokratien
teilen die Bevölkerung und politische Eliten eine friedliche Ansicht der Welt.
Durch
alltägliche Routine (Gespräche, Gesten, Tätigkeiten, Planung, etc.), oder wie
der Autor sagt, durch seine Höflichkeit, strebt der Mensch an, Gewalt zu entwurzeln.
Diese
Eigenschaft – Gewalt als politisch ersetzbar zu sehen – ist die Antwort auf die
Frage, warum Demokratien keinen Krieg gegen andere Demokratien führen.
Trotzdem
müssen Demokratien in vielen Fällen Gewalt ausüben. Reife Demokratien haben daher
ein Dilemma: entweder stehen sie zum Prinzip der Gewaltlosigkeit und greifen
nicht in eine bestimmte Situation ein, oder sie greifen ein und werden dann interventionistisch
angesehen.
Der Autor
argumentiert weiter, dass Gewalt unvorhergesehen und auslöschbar ist. Aber Gewalt
kann demokratisiert werden, d.h. die Mitteln und Institutionen der
Ausübung von Gewalt sind auch immer der Öffentlichkeit gegenüber verantwortlich.
So kann und soll Gewalt verhindert und unnötig gemacht werden.
Keane
argumentiert, dass Demokratie und Gewalt eine enge Beziehung zueinander haben.
Keane: Die
Theorie des demokratischen Friedens ist nicht realistisch. Während Demokratien zwar
keine Kriege gegeneinander führen, leben die Bürger in diesen Demokratien immer
noch in Gewalt innerhalb der Grenzen.
Aktuell
befindet sich die Welt in einen Gewalt-Dreieck:
1) Nukleare Staaten post-kalter
Krieg
2) Unzivilisierte Kriege
(wo Gewalt das Ende ist, nicht das Mittel)
3) Apokalyptischer
globaler Terrorismus
Keane’s Definition von Gewalt
Die Definition
von Gewalt ist kompliziert und umstritten.
Gewalt wurde demokratisiert:
a) der Geltungsbereich ist erweitert; b) die Bedeutung ist kontextabhängig; c) als
Variable in Zeit und Raum (es ändert sich über die Zeit, z.B. Tierquälerei).
Demokratisierung
des Konzepts Gewalt bedeutet, dass mehr und mehr Gewalt (Gewaltformen, die
vorher als natürlich angesehen wurden) auch als Gewalt anerkannt ist.
Richtlinien
für eine Reflektion über Gewalt
1) Eine Definition,
basiert auf absichtlicher Handlung, soll auf keinen Fall an eine Motivation
gebunden werden.
2) Definitionen, die auf
Referenzen bezogen sind (aggressiver Instinkt), sollen abgelehnt werden. Es
gibt viele Gründe, warum Leute gewalttätig sind.
3) Gewalt soll nicht als
Gegenteil von gesetzmäßig gedacht werden.
4) Gewalt gegen
Gegenstände ist von Gewalt gegen Personen zu differenzieren.
Der Autor
definiert Gewalt weniger normativ von der etymologischen Bedeutung von violentia
= force und latus = excercise è to exercise physical force.
„It is better understood as the more or less intended,
direct but unwanted physical interference by groups and/or individuals with the
bodies of others, who are consequently made to suffer a series of effects
ranging from shock, speechlessness, mental torment, nightmares, bruises, scratches,
swellings, or headaches through to broken bones, heart attacks, loss of body
parts, or death.“
Arten von
Gewalt
Gewalt ist:
·
Intentional – hat immer eine Intention
·
Verkörpert – embodied – berührt immer einen anderen
Körper
·
Vermittelt – mediated – Gewalt durch etwas anderes
(institutionalisierte Gewalt)
·
Behindert – Bewegung und kommunizieren
·
Diebstahl – Freiheit
Gewalt greift
den Körper von Menschen an und macht aus ihren Körpern angreifbare Objekte.
Laut Keane sind
Definitionen, die versuchen, die Bedeutung von Gewalt zu dehnen (d.h. mit einer
Inklusion von Person, Institution und Kultur und einer Verbindung zur
Befriedigung menschlicher Bedürfnisse,
Identität, Freiheit, etc.) wenig hilfreich, da solche Definition das Konzept
exzessiv relativieren.
Keane distanziert sich von Galtung’s (1969)
structural violence – physical and psychological harm that results from
exploitive and unjust social, political and economic systems. This is not
necessarily carried out by individuals but is hidden to a greater or lesser
extent in structures that prevent people from realizing their potential.
Ist das
Gewalt?
1) Ein Dieb, der seinen
Komplizen fragt, ihn zu schlagen, um die Polizei auf eine falsche Fährte zu
locken?
2) Der alkoholisierte
Fahrer, der einen Radfahrer überfahren hat?
3) Eine Person, die fahrlässig
zu Boden gestoßen wird von eine Gruppe Jugendlicher die mit Kopfhören laut
Musik hören?
No comments:
Post a Comment
Note: Only a member of this blog may post a comment.